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Stottern und aufmerksame Wahrnehmung
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Zitat von Eberhard im Beitrag #30 Nein, das ist mit Sicherheit nicht der Grund. Die Untersuchungen zeigen, dass die strukturellen Defizite im Bereich der Fasern, die die Hörareale verbinden, schon bei sehr jungen Kindern (dreijährigen) vorhanden sind, und dass sie mit wachsendem Alter nicht größer werden. Es scheint sich also nicht um eine Folge der Wahrnehmung des Stotterns zu handeln. Außerdem gibt es Untersuchungen mit erwachsenen Stotterern, in denen eine Hör-Verarbeitungsstörung gefunden wurde, und zwar auch dann, wenn nichtsprqchliche Hörreize (Klick-Geräusche) präsentiert wurden. Die Störung besteht darin, dass Stotterer Probleme haben, redundante (überflüssige, unwichtige) Hörreize zu ignorieren. Bei Nichtstotterern wird die Verarbeitung solcher Reize vom Gehirn automatisch unterdrückt, bei Stotterern funktioniert das nicht gut. Natürlich sind solche Resultate immer Gruppenresultate, und sie müssen nicht auf jeden einzelnen in gleichem Maße zutreffen – aber für mich trifft es absolut zu. Ich stimme dir also darin zu, Eberhard, dass Stotterer ihre Aufmerksamkeit vom Hören abziehen, weil da etwas nicht auszuhalten ist. Aber es ist nicht das eigene Stottern – das spüren wir viel mehr, als wir es hören – sondern es ist die Überflutung mit redundanten akustischen Reizen. |
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Wenn ich all die pathologischen Befunde lese, die ihr hier wiedergebt, könnt man glauben, Stottern sei so unheilbar. Ist es aber wohl doch nicht. Ich zitiere hier einen Abschnitt aus dem Buch ‚Hirngespinste‘ von Martin Korte, die zu der Diskussion hier passt: |
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Zitat von Eberhard im Beitrag #32 Pathologisch – also krankhaft – sind die Befunde, über die ich oben berichtet habe, nicht. Es handelt sich um statistische Unterschiede zwischen Stotterern und Nichtstotterern. Die Daten besagen nur, dass Stotterer – als Gruppe, im Durchschnitt – anders sind als Nichtstotterer. Und das gilt schon für kleine Kinder, die gerade zu stottern begonnen haben. Die Abweichungen vom Normaldurchschnitt sind aber i.d.R. gering und nicht pathologisch. sondern bewegen sich innerhalb der Bandbreite dessen, was als gesund angesehen wird. Ich glaube zwar nicht, dass Stottern „heilbar“ ist – einfach deshalb, weil ich es nicht für eine Krankheit halte. Aber ich glaube, dass man lernen kann, sich so zu verhalten, dass Stottern kaum auftritt, und gelassen zu bleiben, wenn es doch mal auftritt. |
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Hier kommt die Arbeitskreisbeschreibung von Prof. Harald A. Euler: |
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Dass man Eltern wegen eines stotternden Kindes keine Vorwürfe machen darf, ist völlig richtig. Eltern müssen sich aber im Klaren darüber sein, dass ein Kind die Art, wie sie auf das Stottern reagieren, auf das Kind großen Einfluss hat. Negative Reaktionen wie Verzweifeln, Sich-Sorgen-machen, Angst haben bis zum Katastrophendenken übertragen sich auf das Kind und erschweren die Therapie. |
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Her eine kurze Zusammenfassung aus „Hirngeflüster“ von Prof. Martin Korte zum Thema „Wie innere Dialoge die Kreativität und die Motivation fördern“: |
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Hallo Eberhard, |
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Schnell noch eine Ergänzung, bevor ich Pause mache. |
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22.01.2020 20:21 (zuletzt bearbeitet: 22.01.2020 20:27)
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Hallo @Eberhard , @Roland Pauli , @Torsten Hesse und alle anderen Mitlesenden. Zitat von Eberhard im Beitrag #32 Die Frage, inwiefern Stottern "heilbar" ist, hängt sehr stark von der Definition des Begriffs "heilbar" ab. Für Van Riper und seine Schule ist das Stottern dann geheilt, wenn der Therapiepatient einen Punkt erreicht hat, an dem das Stottern für ihn kein Problem mehr darstellt. Dabei ist es unwichtig, ob er noch stottert oder nicht; sofern es ihn im Leben nicht mehr einschränkt. Zumindest habe ich es so verstanden - korrigiert mich, wenn ich das missverstanden habe. Wolfgang Wendland definiert ebenfalls die Heilung vom Stottern in folgendem Video: Das, was aber landläufig unter Heilung verstanden wird, und wie es @Andreas Starke in verschiedenen Seminaren, an denen ich teilgenommen habe, gesagt hat, ist: "So, als hätte der Betreffende nie gestottert". Wenn ich von Heilung vom Stottern spreche, dann meine ich eigentlich auch immer diese letzte Definition. Und die ist es genau, die bei Erwachsenen therapeutisch nicht erzielt werden kann - zumindest ist dies ein statistischer Wert. Es gibt anscheinend Spontanheilungen auch bei Erwachsenen, dies berichtet ebenfalls Andreas Starke, und der dürfte dies sicherlich wissen, weil er auch sein Leben lang mit der Materie befasst war. Dennoch gibt es keine Therapiemethode, die solch eine Heilung sicher herbeiführen kann. Nehmen wir mal als Beispiel (er verzeih es mir) @Roland Pauli. Auf seiner Webseite findet man folgende Hörprobe von ihm: Roland vorher Auch finden wir eine weitere Hörprobe von ihm: Roland heute Jetzt lässt sich darüber streiten, ob man ihn im zweiten Video als "geheilt" bezeichnet. Vielleicht äußert er sich selbst dazu. Es geht aber doch darum, ob er so spricht, "als hätte er nie gestottert." Was bedeutet das? - Ein Nicht-Stotterer hat vermutlich ebenfalls Angst, vor Publikum zu sprechen, dabei geht es ihm aber eher darum, was er für eine Figur abgibt als um die Angst, ein Wort, das er sagen will, nicht sagen zu können - Ein Nicht-Stotterer macht sich keine Gedanken darüber, ob er Semmel oder Brötchen sagt, weil er beide Begriffe immer und überall problemlos aussprechen kann - Ein Nicht-Stotterer hat vielleicht auch sprachliche Spleens und benutzt Füllwörter wie - ey Alter - sagt zwischendurch - äh äh - oder manchmal übermäßig oft - also - aber er macht dies nicht, weil er ein Wort, das er nicht aussprechen kann, aufschieben will oder muss, sondern es ist eben einfach ein sprachlicher Spleen. - Ein Nicht-Stotterer ist vielleicht mal konfus und wiederholt Wörter, weil er noch nach dem Folgewort sucht. (Ich habe mir letzte Woche ein - ein - ein Wohnmobil angesehen. - Diese äußerlich dem Stottern sehr ähnlichen Verhaltensweisen haben jedoch nichts zu tun mit dem Kern, der Stottern ausmacht: Ein Wort, das man genau kennt, in einem bestimmten Moment nicht sagen zu KÖNNEN. - Ein Nicht-Stotterer braucht dafür nichts zu tun, jedes x-beliebige Wort seiner Muttersprache auszusprechen - er kann es einfach immer dann, wenn er es sagen will. Nun die Frage: Wenn Roland so flüssig spricht wie in der verlinkten Sprachaufnahme: macht er dies, OHNE irgendwas dafür zu tun? Oder braucht er dafür Mittel, Instrumente, die das flüssige Sprechen aufrechterhalten. Macht er etwas, um Blocks zu vermeiden oder aufzulösen wie Zwischenatmung, bewusste Verlangsamung oder einen bewusst weichen Stimmeinsatz? Vielleicht können wir an dieser Stelle mal wieder Kahnemann mit dem System 1 und System 2 zitieren. Macht der flüssig sprechende Stotterer womöglich etwas, was in System 2, also der bewusst herbeigeführten Tätigkeit fällt, während Sprechen doch eigentlich ein vollkommen automatisierter Ablauf ist? Wenn ich spreche, spreche ich eigentlich immer spontan. Ich fürchte auch nicht mehr, dass ich in lange Blocks gerate. Das passiert mir schon seit Jahren nicht mehr, während ich früher regelrecht Angst davor hatte. Trotz alldem gibt es Wörter bzw. Lautkonstellationen, an denen ich regelmäßig hängenbleibe, wenn ich nicht zuvor bewusst in System 2 eingetreten bin. Zu solchen Konstellationen gehören mehrere kurze Wörter auf N wie z.B. "nur noch nicht" "nicht nur" oder alle Wörter mit "Nieder-" wie Niederlande, Niederlage, Niedersprungmatte etc. Das geht 1-2 Mal gut, ohne dass ich etwas tue, und dann finde ich mich in einer Kette von NNNNN wieder. Nach Wendland oder Van Riper bin ich geheilt. Aber ich stelle fest, dass die Tendenz, ins Stottern zu kommen, bei bestimmten Lautkonstellationen sich nie geändert hat. Der einzige Unterschied: es ist mir sch... egal. Entweder ich tue etwas. Was, das würde ich gerne mal in einem anderen Thread erklären und vielleicht auch die Methoden anderer Leute sammeln. Aber ich MUSS in System 2 wechseln, um stotterfrei durchzukommen. Damit ist es halt Definitionssache, was heilbar bedeutet. Aber nach der Definition: "so sprechen, als hätte er/sie nie gestottert" ist eben eine Heilung nach der Pubertät statistisch betrachtet nicht möglich. @Roland Pauli dir auch vielen Dank für den Ursprungstext. Da sieht man mal, was beim Hin- und Herübersetzen sich vom Wortlaut so alles ändert. Ich fand es spannend und bin sehr zufrieden, weil der Inhalt - denke ich - sehr konstant ist. Würde mich freuen, wenn du auf meine obigen Bemerkungen auch eingehst. Schönen Abend! #stottern #stuttering #kekemelik |
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23.01.2020 09:25 (zuletzt bearbeitet: 24.01.2020 09:41)
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Wenn „Heilung des Stotterns“ nur bedeutet, dass der Betroffene nicht mehr unter seinem Stottern leidet, dann ist jemand , der an Krebs stirbt, auch geheilt, denn auch er leidet nicht mehr an seinem Krebs. Diese Definition von Heilung ist also etwas zu einfach. Zitat von PetraS im Beitrag #40 Vom Stottern geheilt ist m.E. jemand, der spontan im System 1 spricht ohne dass dabei Stottern auftritt. Das klappt bei mir meistens, aber nicht immer. Ich betrachte mich also nicht als geheilt. |
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Hallo @Torsten Hesse , Zitat von Torsten Hesse im Beitrag #41 Gut, dass wir darüber gesprochen haben. Ich finde es unheimlich wichtig, im Zuge einer Debatte erstmal begrifflich auf einen Nenner zu kommen. Wir denken beide gleich, d.h. unsere Definition von "vom Stottern geheilt" ist gleich. Ich kenne wirklich viele Leute, die eine hohe Sprechflüssigkeit erreicht haben und sagen, es ist praktisch nichts gegenüber früher. Und die vor allem ihre Einstellung verändert haben, die das ganze gelassen sehen und sich auch die Freiheit geben, ab und zu merklich zu stottern. Ich kenne auch Leute, die sich nicht sicher sind, ob sie (noch) stottern oder nicht. Weil ihr Umfeld eben das, was sie sprachlich machen, nicht als Stottern wahrnimmt. Ich selbst habe mich über Jahre als "ehemalige Stottern" bezeichnet, weil meine Mitmenschen mich nicht als stotternd wahrgenommen haben. Und dann fragte ich mich, warum ich immer wieder mit diesem oder jenem Begriff Probleme hatte. Sie erst später als geplant sagen konnte, eine innere Spannung aufgebaut habe, wenn ich nur an sie dachte, warum ich stets anhalten und neu Luft holen musste, bevor ich Wörter wie "Schmetterling" oder "Schlüssel" sagen konnte. Und dass mir das Austauschen von Problemwörtern willkommen war. Das macht doch kein Normalsprecher! Aber meine Mitmenschen nahmen dies nicht als Stottern wahr, weil sie eben nur ssssssowas als St-St-St-St-Stottern kannten. Du kannst dir nicht vorstellen, wie froh ich war, als ich in der Selbsthilfe Leute kennenlernte, die genau an denselben Stellen Probleme hatten wie ich, deren Stottern ich genau nachfühlen konnte. Ja, ich denke, es ist auch eine Sache, wie sich jeder selber definiert. Ob er ehrlich zu sich ist oder nicht. Ob er sich von seinem Umfeld beeinflussen lässt oder nicht. Aber im Grunde stimme ich mit dir vollkommen überein. Geheilt ist man nur, wenn man so spricht, "als hätte man niemals gestottert."
#stottern #stuttering #kekemelik
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Zitat von PetraS im Beitrag #40 Ich bin zwar nicht geheilt, weil ich in gewissen für mich stressigen Situationen immer noch gelegentlich stottere. Das tolle für mich ist allerdings, dass ich keine Angst mehr vor einem möglichen Stotterereignis habe. Einige sich ankündigende Spannungsanstiege kann ich im Vorfeld herunterregeln, so dass es zu keiner hörbaren Symptomatik kommt. Ich brauche auch keine Füllwörter oder Synonyme mehr und sage alles so klar, wie ich es sagen will. Das unbewusste Scannen nach Stotterwörtern hat so sein Ende gefunden. Gelegentliche Stotterereignisse ärgern und belasten mich nicht mehr und schränken so meine Lebensqualität nicht mehr ein. Wie Prof. Wolfgang Wendlandt einmal schrieb: „Das Leiden am Stottern ist heilbar.“ Wenn bei Geburtstagsfeiern viel und lebhaft diskutiert wird, empfinde ich es als Hörverarbeitungsstress, der meinem Sprechen nicht gut tut. Dafür geht es mir in Vortragssituationen prima, weil ich da wenige Höreindrücke zu verarbeiten habe. |
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26.01.2020 11:38 (zuletzt bearbeitet: 26.01.2020 11:39)
Zitat von Roland Pauli im Beitrag #43 Ich glaube, in diesem PIunkt sind wir uns alle einig  |
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