Chiara hat unter ‚Beitrag einer Flüssigsprechenden‘ den Unterschied zwischen Mitleid und Mitgefühl gut beschrieben. Chiara kommt auch öfter auf die Spiegelneuronen zu sprechen.

Das gibt mir Anlass, ein neues Thema anzusprechen: Die Theory of Mind (ToM). Es gibt verschiedene deutsche Übersetzungen für diesen Begriff, aber nicht die eine, die so griffig wäre wie ToM.

Bei der ToM geht es um (abgeleitet aus: Theory of Mind von Anne Böckler-Raettig)
- Die Fähigkeit, sich in die Welt anderer Menschen hinein zu versetzen,
- Gedanken, Überzeugungen, Vorlieben und Absichten anderer zu verstehen,
- den Versuch, mentale Zustände anderer zu verstehen und darüber nachzudenken,
- sich von eigenen inneren und äußeren Zuständen, eigenen Überzeugungen und Vorlieben zu lösen, um sich überhaupt in andere einfühlen zu können,
- In sozial-emotionalen Situationen, Konflikten und Krisen, die Sicht des Anderen einnehmen zu können,
- Mitgefühl, Empathie, räumliche Perspektivübernahme,
- Metakognition, über die gesondert zu sprechen ist,
- Sozial-emotionale Beziehungen.

Mitgefühl wird übrigens von Anne Böckler-Raettig definiert als das positive Gefühl des Wohlwollens und der Wärme für andere Lebewesen, damit ist es etwas anderes als Mitleid.

Metakognition ist die Auseinandersetzung mit den eigenen mentalen Vorgängen, wie wir denken, fühlen, wollen, wahrnehmen, erinnern, was wir wissen und wie wir handeln. Das Gelingen der ToM-Elemente ohne die Metakognition ist eigentlich nicht denkbar.

Was hat das nun mit dem Stottern zu tun? Ich denke, in den Situationen des Stotterns und der Angst vor dem Stottern sind die Elemente der ToM und der Metakognition für uns nicht mehr verfügbar. Wir sind überwältigt und blockiert von dem, was uns ins Stottern treibt. Da wir nicht an Autismus, Asperger, Demenz oder Schizophrenie leiden, bleibt nur eine tiefsitzende, oft situationsabhängige Depression als Ursache, die durch das Stottern selbst und andere Lebensumstände hervorgerufen sein kann.

Ich halte es für einen vielversprechenden Weg, dem Stottern die Grundlagen zu entziehen, indem wir die Elemente der ToM und der Metakognition zu unserem Lebensprinzip, zu unserer inneren Haltung machen und intensiv trainieren. Das wird mentale Stärke zur Folge haben, die sich der mentalen Schwäche beim Stottern entgegensetzt und die auch das depressive Verhalten auflösen kann.

Hallo @Chiara ,

Empathie ist ein emotionaler Zustand, der durch denselben Zustand einer anderen Person ausgelöst wird und bezeichnet das unmittelbare Einfühlen in die körperliche und emotionale Lage anderer. (Zitat)

Ein guter Weg, sich ToM zu erschließen, ist, sich die Anwendung der Elemente der ToM zum Hobby zu machen. Es erschließt sich einem dadurch auf spielerische Weise und man lernt sehr viel über sich selbst, frei nach dem Motto: Du darfst nicht alles glauben, was du denkst. Es erhöht die Selbstsicherheit im Umgang mit anderen Menschen ungemein und ist damit auch ein Schlüssel zum stotterfreien Sprechen. Es gibt auch Antworten auf die Frage: Wer bin ich eigentlich selbst?