Hallo,

vor kurzem habe ich das Buch zum zweiten Mal gelesen und muß sagen, das es wieder für ein paar Denkanstöße bei mir gesorgt hat. Vor allem finde ich gut, daß es auch auf die allgemeine Situtationen mit in die Betrachtung von Rückfällen bezieht und es häufig nicht allein ausreicht, wenn man nur am Stottern und Sprechübungen arbeitet.
Außerdem finde ich die verschiedenen Erfahrungen und Sichtweisen der Autoren/innen gut, so das man sich auch halbwegs in den Beiträgen erkennen kann und man für sich ein paar wertvolle Anregungen mitnehmen kann.

Gruß Mark

Hallo Chiara,

Du schreibst,das dir die Therapeuten die Schuld für den ausbleibenden dauerhaften Erfolg gegeben haben. Darf man Fragen, ob die Therapien in den letzten Jahren waren oder schon lange her?
Weil ich hoffe, das die Therapeuten heutzutage so etwas nicht mehr sagen und auf einen möglichen Rückfall auführlich eingehen.
Denn ich hatte mal vor ca. 20 Jahren meine erste logopädische Therapie mit gut 20 Jahren und der Therapeut meinte erst, daß ich gar nicht richtig stottere, sondern nur unnötiger Weise gesagte Silben bzw. Wörter wiederhole und überflüssige Füllwörter einschiebe. Und das obwohl durch das Ankämpfen gegen das Stottern Anspannungen und Verkrampfungen am ganzen Körper, wenn das Stottern stärker war, zu sehen waren. Er hatte mich auch zum Therapiende hin nicht auf eine mögliche Rückfallgefahr hingewiesen.

Weiter hinten in dem Buch schreibt die gleiche Therapeuten in "Ich pack`s noch einmal an", worauf bei einer eventuellen neuen Therapieauswahl zu achten ist. Das finde ich auch sehr hilfreich, das man sich genau überlegt, ob eine neue Thepapie bei der gleichen Therapeutin/en sinnvoll ist, auch wenn sie für eine stimmig war, oder man doch aus verschiedenen Gründen zu der Überzeugung kommen sollte einen neuen Weg einzuschlagen.

Gruß Mark

Hallo Chiara,

bei uns in Ostwestfalen, was wahrscheinlich auch für ganz NRW zählen dürfte, wurde früher vor 20 Jahren die Überweisung auch von einem HNO Arzt ausgestellt. Aber seit etlichen Jahren wird sie vom Hausarzt ausgestellt. Mein Hausarzt hat zwar immer nur 7-8 Einheiten verschrieben, was meine Logopädin nicht so gut fand, weil sie dann immer einen Bericht mit dem aktuellen Therapiestand erstellen mußte, aber das hat er auch immer auf Wunsch gemacht. Als ich mal mit Nachdruck um ein Rezept über 10-12 Einheiten , natürlich mit Pseudostottern als Übungsaufgabe meiner Therapeutin, erbeten/gefordert habe, hatte er es mir nur leicht widerwillig ausgestellt. Er meinte, falls sein Budget am Quartalsende überschritten sei, müte er dann für einen Teil der Koste naufkommen.

Nach meiner ersten Therapie konnte man bei mir im Normalfall kein Stottern mehr erkennen und alle Sekundärsymtome waren natürlicher Weise auch nicht mehr da. Und das alles ohne eine richtige Sprechtechnik etc. zu erlenen. Das war für mich so befreiend, keine Verkrampfungen mehr, nicht mehr an Buchstaben oder Silben hängenbleiben und bis zu 10-20 mal wiederholen, bis es dann klappte oder mir vorher schon die Luft und Kraft wegblieb. Ich dachte das geht jetzt immer so weiter, weil ich auch keine Sprach- und Atemübungen kennengelernt hatte und er auch nichts von einem Rückfall erwähnt hatte. Doch nach 2-4 Monaten schlich sich das Stottern mit all seinen Begleiterscheinungen langsam, aber immer stärker werdend wieder ein. Das hatte mir den Boden unter den Füßen weggezogen und aus Verzweiflung und Unwissendheit, damals wußte im Prinzip noch gar nichts über Stottern und das Internet war auch noch nicht soweit, fing ich bei ihm noch einmal eine Therapie an. Es wurde auch ganz schnell wieder alles gut und nach 10 Einheiten wurde die Therapie wieder beendet. Es kam wie es kommen mußte und es ging dieses mal sogar schon nach ca. 1-2 Monaten stark bergab mit meinem Sprechen. Danach war ich erst einmal nur noch frustiert, unzufrieden und demoralisiert.

Ein paar Jahre später (ca. 5 Jahre) in denen das Stottern mal mehr und minder je nach Tagesform und Lebensphasen, wie bei jedem Stotterer/in vorkommt, hatte ich mich entschieden noch einmal eine Therapie zu machen. Bei der neuen Logopädin in einem anderen Ort hatte ich zum ersten mal Sprachübungen kennen gelernt und in den Therapieeinheiten sowie als Hausaufgabe wiederholt. Auch dort war ich sehr schnell fast komplett symptomfrei, so dass ich nur noch ganz kleine Blockaden hatte. Die ganz starken Verkrampfungserscheinungen hatten sich zum Großteil schon in den Jahren davor verloren und kamen nur noch selten zum Vorschein. Nachdem die Therapie beendet war, ging es eine Zeit lang gut, aber nach ein paar Monaten wurde das Stottern wieder langsam stärker. Es war aber noch immer besser als vor der Therapie.

In den nächsten Jahren gab es Phasen wo das Stottern mal besser mal schlechter war. Dementsprechend hat es mich mal mehr oder minder genervt und manchmal war es auch unabhängig von der Stärke des Stotterns. Es gab auch Zeiten wo es mich kaum gestört hat. Mittlerweile kannte ich auch die Homepage der BVSS und hatte ein paar Bücher übers Stottern gelesen.

Als es nach ein paar Jahren schlechter wurde, hatte ich mir überlegt was ich machen sollte. Eine Selbsthilfegruppe kam für mich nicht infrage, weil die nächste von mir aus eine Stunde Fahrtzeit je Weg entfernt lag und die auch erst immer relativ spät began. Deshalb fragte ich mich, ob eine Therapie in meinem Fall überhaupt sinvoll wäre, denn ich hatte immer einen super Anfangserfolg, sodaß man in der Therapie kaum an echten Symptomen arbeiten konnte. Zusätzlich ging es auch schon vor der Therapie wieder leicht bergauf, weshalb die letzte und die potentielle neue Therapeutin nie mein ganzes Stottern zu hören bekamen.

Trotzdem entschied ich mich noch einmal eine Therapie zu starten, weil ich schon einiges von Atemübungen und In Vivo Arbeit gelesen, aber noch nicht kennen gelernt hatte. Außerdem hatte ich auch nichts zu verlieren und hätte die Therapie wegen Sinnlosigkeit aus meiner Sicht jederzeit beenden können.

Bei dieser Therapie vor ca. 4 Jahren wurde das Stottern schon vor Beginn erheblich besser und nach ein paar Einheiten war davon so gut wie nichts mehr zu hören. Ich brauchte mich auch gar nicht auf irgendwelche Sprechübungen zu konzentrieren oder zu Hause daran großartig üben.
Trotzdem hat mir die Therapie sehr gut getan und nochmal einen Riesenschritt voran gebracht. Vor allem durch das Pseudostottern als In Vivo Arbeit mit und ohne der Therapeutin. Sowie das Sprechen über Stottern und der Therapie im privaten Umfeld, was sie beides zu meinen Hausaufgaben machte. Erst hatte ich Unbehagen vor diesen Aufgaben und war ganz verlegen bei der Durchführung. Es war aber wie eine Befreiung, so frei über das Tabuthema Stottern reden zu können. Auch die Reaktionen der angesprochenen Personen beim Pseudostottern waren ganz anders als gedacht. Es hat keinen interessiert und alle waren verständnisvoll, egal ob man nach dem Weg gefragt o,der was beim Bäcker bestellt oder irgendwo eine Auskunft erfragt hat etc..

Insgesamt ist mein Stottern heute auf einem guten zufriedenstellenden Niveau, wenn ich bedenke wie es früher war. Natürlich bleibe ich auch heute noch manchmal länger an einem Wort hängen und habe öfters relativ kurze Haker die mich stören. Aber wenn ich mich über die kurzen Haker aufrege merke ich ganz schnell, wie gut es mir im Verhältnis zu früher in Wirklichkeit geht und bin wieder zufrieden.
Nur wenn ich verstärkt unter Druck gerate, verunsichert bin oder ich mich in einer allgemeinen unebfriedigende Lebenslage befinde, kommt das Stottern verstärkt vor und stört mich dann auch wieder richtig. Was wahrscheinlich auch bei vielen anderen Stotterern/in ist.

Zurzeit läuft es nicht ganz so gut, weshalb ich mich wieder mit dem Thema Stottern beschräftige. Das ist auch vielleicht eins meiner Probleme, wegen des extrem schnellen Erfolges bei der letzten Therapie, habe ich mich vielleicht auch nicht langfristig genug nach Therapieende mit dem Thema und den prophylaktischen Übungen beschäftigt. Und es ist aus meiner Sicht auch etwas anderes, ob ich die Blocklösemethoden nur als "Trockenübungen" ohne eine echte Verkrampfung durchführe oder eine längere Zeit nach Therapieende einen echten Stottervorgang lösen muß. Das ist wie beim Fußball, ob du einen Elfmeter im Training oder Spiel mit Zuschauern und unter Druck schießen mußt. Das kann man nur bedingt im Training einüben.
Deswegen habe ich auch das Buch noch einmal gelesen, weil es wieder interessante Denkanstöße gibt, wodurch wieder Erinnerungen aus der Therapie hervorkommen. Außerdem nehme ich heutzutage einige Passagen aus dem Buch anders war, wodurch sich neue Sichtweisen sowie Ansatzpunkte ergeben haben. Es wird aber auch schon wieder besser, weshalb ich mit der Gesamtsituation auch wieder ein bisschen zufriedener geworden bin. Ich habe mir zusätzlich vorgenommen, im Buch "Abenteuer Stottern" zu blättern und mir interessante Kapitel zu lesen, um mich noch mehr mit dem Thema zu beschäftigen.

Eine logopädische Therapie plane ich deshalb vorerst nicht, weil ich hoffe das ich auch so dir Kurve bekommen werde. Außerdem wäre es zurzeit nicht sinnvoll, weil das stärker aufkommende Stottern bei mir wahrscheinlich auch teilweise durch eine andere Sache hervorgerufen worden ist, an der ich arbeiten muß.
Mir ist durch die ganze Situation aufgefallen, dass ich gerne wieder Pseudostottern durchführen würde, dafür aber kein richtiges Gefühl mehr habe, weshalb es sich für mich komisch anhört/ anfühlt. Vielleicht nehme ich eine einzige private Einheit bei meiner alten Logopädin, um dafür wieder ein Gefühl zu bekommen, damit ich das in Zukunft wieder öfters im Alltag mit einbauen kann.

Gruß

@Chiara , @Mark : Vielen Dank für Euer nettes Feedback zum Buch, das hat mich sehr gefreut! Ich war sehr froh, dass ich so viele kompetente Leute für das Thema gewinnen konnte, obwohl ich am Anfang auch selbst gedacht habe, "Wer soll das lesen??"

Das Schwierige ist ja immer, dass Rückfälle so individuell ablaufen.
Glücklicherweise ist es aber heute bei (kompetenten) Therapeuten nicht mehr üblich, den Stotternden die Schuld am Misserfolg zuzuschustern, sondern eher entlastend zu arbeiten. Man kann nur hoffen, dass sich diese Sichtweise mehr und mehr durchsetzt und einfach mehr Therapeuten anfangen, ihre Konzepte immer wieder zu hinterfragen. Es gibt eben keine Methode, die für jeden Stotternden in gleichem Maße geeignet ist. Aber es ist natürlich leichter, dem Patienten die "Schuld" zu geben oder mangelnde Motivation vorzuwerfen, anstatt sich und die eigene Methodik (mit der man sich ja meist auch irgendwie identifiziert) infrage zu stellen.