... endlich komme ich auch mal dazu, mich hier aktiv zu beteiligen und möchte mich zunächst einmal vorstellen.

Ich stottere seit meinem 3. Lebensjahr und habe schon sehr früh mit den unterschiedlichsten Therapien angefangen. Mein Stottern ist auch heute noch (in unkontrolliertem Zustand) recht stark und kann sehr häufig - auch mehrmals im Wort - auftreten. Von daher kann ich mich ganz gut auch in stark stotternde Menschen hineinversetzen und einigermaßen nachvollziehen, was in einem vorgeht, wenn das Stottern mal wieder unerbittlich ist und sagt, wo es lang geht. Unter meinem starken und häufigen Stottern habe ich seit frühester Kindheit gelitten und mich dafür auch sehr geschämt. Einige unseriöse Therapien haben das im Laufe der Jahre auch noch verstärkt.

Nach meinem Abi wollte ich unbedingt Medizin studieren, weil ich wusste, dass es keine mündliche Aufnahmeprüfung gibt und man auch sonst im Studium relativ anonym unterwegs ist bzw. keine großen Präsentationen oder mündliche Leistungsabfragen über sich ergehen lassen muss (zumindest dachte ich mir das damals so). Daraus wurde mangels NC jedoch nichts und da es damals auch wegen des Stotterns in meinem Leben nicht wirklich voran ging, habe ich mich nochmal nach einer Therapie umgesehen, die ich bisher noch nicht ausprobiert habe. So kam ich dann 2008 zur Bonner Stottertherapie, dank der ich meine Einstellung zum Stottern und den Umgang damit sehr zum Positiven hin verändert habe. Der Mix aus Modifikations- und Fluency-Shaping-Techniken verhilft mir zudem dabei, mein Stottern gut bis sehr gut im Griff zu halten. Angst, Scham, Vermeidung oder negative Gedanken und Selbstzweifel spielen derzeit in meinem Leben fast keine Rolle mehr - und das ist für mich heute eigentlich wichtiger als alles andere.

Letztlich hat es mich dann nach München verschlagen, wo ich bis 2013 "Sprachtherapie B.A. & M.A." studiert habe. Direkt danach wurde dann in Bonn eine Stelle frei und man hat mir diese auch angeboten. Obwohl mich neben dem Stottern auch noch andere sprachtherapeutische Störungsbilder interessiert haben (Stimmtherapie, Sprechapraxie und Dysarthrie), wollte und konnte ich mir dieses Angebot natürlich nicht entgehen lassen. Seit Herbst 2013 gehöre ich also zum therapeutischen Team in der LVR-Klinik Bonn und gebe meine fachlichen und persönlichen Erfahrungen an unsere Patienten weiter.

Auch wenn das Bonner Konzept schon sehr umfangreich ist, bin ich trotz meiner Überzeugungen sehr offen für neue bzw. andere (seriöse) Therapieformen, weshalb ich stets darum bemüht bin, unser Konzept sinnvoll zu ergänzen und auszubauen. Beispielsweise befinde ich mich gerade in einer zweijährigen Weiterbildung zum Traumafachberater & Traumapädagogik und habe auch mehrere Fortbildungen zum Thema Ego-State-Therapie besucht. Beides möchte ich nach und nach ins Bonner Konzept integrieren. Ähnlich wie mein Kollege Robert Richter, den ich sehr schätze und der meine Begeisterung für diese Therapieformen geweckt hat, räume ich den psychotherapeutischen Anteilen in der Stottertherapie einen recht hohen Stellenwert ein, da doch die allermeisten Betroffenen davon mehr profitieren als vom reinen Einüben irgendwelcher Sprechtechniken. Stottern ist eben (zum Großteil???) auch Kopfsache und der berühmte Eisbergvergleich von J. Sheehan trifft für mich den Nagel einfach auf den Kopf.

In der Therapie ist es mir besonders wichtig, lösungsorientiert zu arbeiten und den Leuten sinnvolle Strategien für ihren Alltag zu vermitteln. Daher interessiere ich mich auch sehr für die Themen Rückfall und Motivation in der Stottertherapie. Vor zwei Jahren hatte ich die Möglichkeit, im Auftrag der BVSS (in der ich seit vielen Jahren ebenfalls aktiv bin) ein Buch zum Thema herauszugeben: Kein Berg ohne Täler. Viele geschätzte Kollegen und Freunde haben sich daran beteiligt und das Thema aus ihrer Sicht reflektiert und die intensive Beschäftigung damit hat meinen fachlichen und persönlichen Blick auf das Stottern auch nochmals deutlich verändert.

Soweit erstmal das Wichtigste zu mir bzw. meiner Geschichte mit dem Stottern. Ich würde nicht so weit gehen und sagen, dass ich mein Hobby zum Beruf gemacht habe, aber natürlich spielt Stottern beruflich wie privat für mich eine nicht unerhebliche Rolle. Es wird jedenfalls nicht langweilig damit und ich lerne immer wieder etwas dazu. Daher freue ich mich auf einen interessanten Austausch mit Euch auf dieser Plattform!

DANKE, Petra, für deinen unermüdlichen Einsatz und dein Engagement, wieder ein deutschsprachiges Forum auf die Beine zu stellen)!

Beste Grüße
Thilo