Ich stand damals vor der Entscheidung Van-Riper-Therapie in Hamburg oder Therapie bei Wolfgang Wendlandt in Berlin. Die Therapie in Berlin hielt ich aber damals für mich für passender, sinnvoller.

Intensivtherapie in Berlin, Oktober 1998 bis Februar 2000

Die Therapie fand in 6 Abschnitten statt, in Therapieeinheiten von jeweils 3-5 Tagen

Außer uns Stotternden nahmen auch noch 3 Logopädinnen zur Fortbildung teil.

Zwischen den einzelnen Therapieblöcken fanden Zwischentreffen statt, in Abwesenheit des Therapeuten, jedoch mit seinen Vorgaben. Es war auch für die anwesenden Logopädinnen verpflichtend, daran teilzunehmen.

Im 1. Therapieblock ging es um allgemeines Kennenlernen, Rollenspiele, das Ausprobieren von Sprechtechniken (Sprechen verändern), Kurzvorträge zu spontan vorgegebenen Themen innerhalb der Gruppe zu halten, erste Trainingspläne, Vermeidensverhalten zu reduzieren.
Als Abschluss dann eine-Vivo Übung am Bahnhof Wannsee: lautes Vorlesen auf der Bahnhofstreppe

Im 2. Therapieblock
In-Vivo-Übungen im KaDeWe
Verschiedene Sprechtechniken anwenden, auf Leute zugehen, diese ansprechen
Immer zu zweit, den Partner dabei beobachten, Feedback geben.
Rede halten in großer Logopädenrunde, dabei Videoaufnahmen,
Es ging darum, die verschiedenen eingeübten Sprechtechniken anzuwenden und zwischen diesen zu wechseln („umzuschalten“)

Im 3. Therapieblock
Sehr viel In-Vivo-Arbeit zur Desensibilisierung, Auffallen um jeden Preis!
Beispiele:
-In der U-Bahn, laut unterhalten, an jedem Bahnhof Waggonwechsel, Wechsel der Sprechtechnik
-Auf einem Spielplatz laut stotternd über eine größere Entfernung laut unterhalten – stotternd
-in großem Einkaufszentrum herumgehen, laute Unterhaltung mit den Anderen eine Etage höher
-über Mikro sprechen in erwähntem Einkaufszentrum, den Mund voller Kieselsteine
-an der Gedächtniskirche eine Rede halten, Passanten mit einbeziehen
-telefonieren zu zweit in Telefonzelle, ca. 10 Gespräche hintereinander (Zeitungsanzeigen) Feedback

Therapieblock 4
Höhepunkt war ein Vortrag im Hörsaal einer Fachholschule in Berlin-Hellersdorf zum Thema „Sprechangst und Stottern – Wenn die Angst den Mund verschließt“. Eingeladen waren Studenten, Therapeuten und andere Interessierte. Mein 5-Minuten-Vortrag hatte das Thema „Die Bedeutung der Eigenarbeit in Beratung und Therapie“ und ich stand auf der Bühne mit dem Mikro in der Hand. Ich hielt meinen Vortrag symptomfrei!

Therapieblöcke 5 und 6
Hier ging es um Vertiefung des Erarbeiteten, einen Rückblick, viele Videoaufnahmen, Trainingspläne und sehr viel Persönliches.

Noch zu den Sprechtechniken, Sprechveränderungen: wir haben alles mögliche ausprobiert und eingesetzt; artikuliertes Sprechen, betont langsames Sprechen, weichen Stimmeinsatz, Pausen machen, tönendes Sprechen… und natürlich auch (wie bei Van-Riper) pseudostottern. Sprechen verändern eben.
Mein Vortrag an der FH war symptomfrei – abgesehen von pseudostottern zur Demonstration.

Nachdem ich jetzt alle Therapieunterlagen wieder ausgegraben habe, stelle ich fest, dass vieles immer noch greifbar ist. Ich bin nun dabei, wieder verstärkt an meinem Sprechen zu arbeiten, diesmal allerdings in Kombination Fluency-Shaping und Stottermodifikation nach Van Riper.

Liebe Petra,

nachdem ich bei diesem Therapeuten schon zwei Seminare (1996 und 1997) am Thuner See in der Schweiz besucht und etwas Einblick in seine Therapiemethoden bekommen hatte, entschloss ich mich, diese Therapie zu machen. Allerdings hatte ich nicht im mindestens eine Vorstellung davon, was wirklich auf mich zukam.

Ich traf ein am Kleinen Wannsee in Berlin, wo der erste Therapieblock stattfinden sollte. Neue Umgebung, die anderen Teilnehmer, die ich nun kennenlernen und mit ihnen sehr viel Zeit verbringen würde... war das alles schon ziemlich aufregend. Dann die erste In-Vivo-Arbeit am Bahnhof Wannsee. Angstlevel Stufe 9. Schlimmer hätte es nur sein können, wenn diese Aktion in meiner Heimatstadt stattgefunden hätte. Aber ich war ja weit weg von zuhause. Es gab nur diese eine Bahnhofstreppe, wo jeder Reisende hinauf bzw. hinab musste. Wir sollten die ganze Breite der Treppe ausnutzen, stellten uns V-förmig auf, der Therapeut am unteren Ende. Stehen und laut vorlesen... Ich bekam Herzrasen, Schweißausabrüche, wäre am liebsten im Erdboden versunken! Manche Passanten waren verärgert, teils wurden wir angepöbelt. Aber es ist ja nichts schlimmes passiert. Alles was danach kam würde ich auf Level 2 oder 3 festmachen.
Das Sprechen mit den Kieseln im Mund im Einkaufszentrum fanden wir ganz witzig. Wir bekamen sehr viel Aufmerksamkeit, aber es war auch echtes Interesse dabei, ernstgemeinte Fragen, zu welchem Zweck wir das tun. Die einzige Angst, die ich hatte, bestand darin, einen dieser Dinger zu verschlucken. Ich habe dieses Thema hier schon angesprochen mit der Buchvorstellung "Die Kiesel des Demosthenes".

Was dann aber wiederum sehr große Anspannung, Herzrasen und Schweißausbrüche bei mir ausgelöst hat, war der 5-Minuten-Vortrag an der FH. Viele Leute, Bühne, Mikro, das wäre alles gar nicht mehr schlimm gewesen, wenn es nur darum gegangen wäre, irgendetwas vorzulesen. Aber dieser Vortrag war von mir ausgearbeitet, von mir verfasst, meine Gedanken, meine Ausdrucksweise, und dann setzt bei mir wieder die Bewertung ein. Wie komme ich damit bei den anderen an? In diesem Fall lief es sehr gut.

Beim Pseudostottern ist es mir mehrmals passiert, dass ich mich in einem echten Block wiederfand. Dann ließ ich es sein. Vor kurzem habe ich es wieder einige Male angewendet, aber nur, wenn ich sehr souverän und ruhig war und somit diese Gefahr nicht bestand. Ich frage mich nur, ob das dann überhaupt Sinn macht. Meine Frage an @Lars_R Hast du hierzu während deiner Van-Riper-Therapie irgendwelche Erfahrungen gemacht?

Und dann noch der Blickkontakt während eines Blocks: Ich schaffe es leider immer noch nicht, ihn zu diesem Zeitpunkt zu halten. Doch noch nicht genügend desensibilisert?

Ich habe gerade eine Änderung des Titels vorgenommen.
Nach längerer Überlegung hatte ich mich vor ein paar Tagen dazu entschlossen, Wolfgang Wendlandt zu kontaktieren (nach mittlerweile 20 Jahren) und um Erlaubnis gebeten, seinen Namen zu nennen.
Ich bekam schon kurze Zeit später sein Einverständnis.