Zitat von Fabian im Beitrag #1

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Hallo miteinander,

seid ihr auch manchmal zu perfektionistisch, wenn ihr sprechen wollt? Früher wollte ich vorwiegend stotterfrei sprechen. Später ging es mir so, dass ich mich immer perfekt ausdrücken wollte. Ich habe dann manchmal vermieden zu sprechen oder ich habe lange nachgedacht, wie ich einen Satz so formulieren könnte, damit dieser nicht „dumm“ oder „unkreativ“ klingt.
Auch solche Gedanken können das Sprechen ziemlich hemmen.
Heute gehe ich deutlich gelassener damit um, wie ich Sätze beim Sprechen formuliere und wie Andere darauf reagieren könnten. Zwei Sachen haben mir dabei besonders geholfen:
1. Ich habe darauf geachtet wie andere Menschen Sätze formulieren und habe festgestellt, dass diese Personen trotz ihrer weniger „perfekten“ Formulierung keinerlei negative Reaktionen erhalten.
2. Aus dieser Beobachtung habe ich immer wieder die erstbeste Formulierung gewählt, die mir spontan in den Sinn gekommen ist. Das habe ich mehrmals wiederholt und bemerkt, es gibt keine negativen Reaktionen. Dies machte mich dann auch gelassener.
Wem geht oder ging es ähnlich? Habt ihre auch manchmal so perfektionistische Züge, wenn ihr euch ausdrücken wollt?

Viele Grüße

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Zitat

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Jap.. das kenn ich auch sehr sehr gut.. ich glaube ja, dass ganz viele Stotternde Perfektionisten sind.
Ich glaube, dass Perfektionismus die Angst zu Versagen ist. Und auf das Leben übertragen hält uns der Perfektionismus (das Perfekte gibt es halt auch einfach nicht) davon ab unsere Ideen zu verwirklichen oder zu handeln.

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Fabian antwortet:

Zitat

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Und auch die Angst bloßgestellt zu werden.

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Sabine schreibt:

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Ja die Angst zu versagen. Angst ist und bleibt ein schlechter Ratgeber und ich werde sie nicht los. 😡 Danke für die Ratschläge 😁

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Fabian antwortet:

Zitat

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Gern geschehen :) Weißt du schon, was die nächsten Schritte sind, um besser mit der Angst umzugehen?

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Hallo @Fabian ,
Hier kommt meine persönliche Antwort etwas ausführlicher.
Mir ging es lange genauso. Vor allem war ich so auf mich und meinen Versuch, perfekt zu sein, konzentriert, dass ich andere gar nicht beobachten konnte.
Ich hing zwar an den Lippen der anderen, wenn sie sprachen, weil ich mir "abgucken" wollte, wie man das richtig macht, aber Unzulänglichkeiten bei ihnen habe ich nicht erkannt. Und wenn es welche gab, die wirklich auffällig waren, und selbst wenn alle in schallendes Gelächter ausbrachen, weil etwas so komisch war, gestand ich mir die Freiheit nicht ein, mitzulachen.
Stets befürchtete ich, jemand könnte mir ins Gesicht sagen: "was erlaubst du dir überhaupt zu lachen, lern erst mal selber richtig sprechen."
Es war immer ein ungutes Gefühl im Bauch, wenn ich in derartigen Situationen steckte.

Was mir auch nie auffiel, waren Pausen, die andere bewusst oder unbewusst ins Sprechen einbauten. Zu häufig war die Erfahrung, dass jemand in die ungewollte Pause, die ich beim Sprechen machte, hineingrätschte und mir das Wort nahm, als dass ich es mir erlauben konnte, gewollte Pausen einzubauen.
Ich wollte immer nur schnell und fehlerfrei durch.

Auch hatte ich immer große Angst, mich zu versprechen. Denn auch heute noch geht es mir so, dass wenn ich nach einem Versprecher versuche, mich zu korrigieren, ich stets stottere. Das habe ich zwar erst sehr spät bewusst erkannt, eigentlich erst durch Analysieren von Videos, die ich von mir gemacht habe, aber es stimmt. Und ich habe auch keine Formel dagegen.

Erst als ich mir die Freiheit gab so zu reden, wie mir der Schnabel gewachsen war, habe ich begonnen, andere genauer zu beobachten und festgestellt, dass sie alles andere als perfekt sind.
Dann habe ich mir auch erlaubt zu lachen, wenn alle anderen über verbale Entgleisungen lachten, und ich habe zur Kenntnis genommen, dass nicht nur Stotternde Bühnenangst hatten, wenn sie vor Leuten etwas vortragen mussten.

Das ist überhaupt eine Sache, die ich nie verstanden habe und auch nie verstehen werde. Ich habe als Kind stets zu den Menschen, die auf der Bühne standen und frei sprachen, hochgesehen und gedacht: "da will ich hin!" Ich hatte nur einen guten Grund, es mir zu verwehren - eben weil ich keine Garantie dafür hatte, dass ich werde sprechen können. Und dann hätte das eine das andere nach sich gezogen. Ich hätte mich geschämt - dann hätte ich das versucht durch Witze oder Albernheit zu überspielen - man hätte mich völlig falsch eingeschätzt und ich hätte mich zur Lachnummer gemacht - ungewollt.
Das war etwas, was ich mir nicht zugestand. Also ließ ich es, dachte aber bei all den anderen: "Warum zum Teufel gehen die nicht auf die Bühne, sie haben doch nichts zu befürchten!"

Als es mir irgendwann egal war, ob jemand mich als Stotternde wahrnahm oder nicht, habe ich mich Schritt für Schritt an all die Dinge herangetastet, die ich so gerne wollte, aber mir nicht zutraute. Das ging aber erst, als ich bereit war, überall im Notfalle nüchtern und ohne Scham erklären zu können, dass ich stottere und deshalb gerade mal hängen geblieben bin.
Um freies Sprechen zu üben, habe ich begonnen, bei Mitmachsendungen im Radio anzurufen (WDR Radio 5 Tagesgespräch) und habe meinen Beitrag zu Themen gegeben, die mich interessierten, oder zu denen ich viel wusste. Meistens habe ich Notizen auf einem Zettel gemacht, damit ich durch all das Formulieren und Wörter suchen nicht auch noch den Faden verlor.

Ich habe die Ansprachen bei Weihnachtsfeiern im Turnverein abgehalten - und das, obwohl die Abteilungsleiterin vom Kinderturnen es sehr viel besser gekonnt hätte. Sie zierte sich allerdings.
Und es gab öfter Situationen, wo ich auf der Bühne feststellte, ich habe meinen Satz komplett falsch begonnen - wie komme ich jetzt aus der Nummer wieder raus.
Auch in den Situationen kann ich einen kühlen Kopf bewahren. "Oh - falsch angefangen. Ich sag es noch einmal...."
So etwas hätte ich nie gekonnt. Aber da gilt für mich heute die Devise: Nobody is perfect.

Ich glaube, dass vieles einfach so mit zunehmendem Alter kommt. Kinder wollen alles richtig machen und Jugendliche wollen perfekt sein.
Das ist einer der Gründe, warum man so schwer mit einem Handicap wie Stottern klarkommt. Man macht ja alles richtig, und es geht trotzdem nicht. Und dann kriegt man ungewollt die vielen Ratschläge, wie man es anders machen kann, ohne dass die Person auch nur die geringste Ahnung hätte.

Der wichtigste Schlüssel für Stotternde wie Nicht-Stotternde dürfte Gelassenheit sein. Aber dazu zu kommen, braucht es neben einer guten Therapie ein Stück Lebenserfahrung.